Hallo Soap,
0. Vorwort
vielen Dank für deine detaillierten Infos. Deine Beobachtungen bestätigen sowohl meine eigenen, als auch das, was ich bislang an anderen beobachtet habe.
1. Grundlegendes: Wie sollte man meiner Meinung nach an eine Einstellung herangehen?
Wenn du meine bisherigen Beiträge gelesen hast, weißt du, dass mein Ansatz ist, die Funktion der gesunden Schilddrüse möglichst naturgetreu mit Tabletten nachzubilden. Meine Idee ist, dass der Körper bei (annähernd) 100%-ig naturgetreuer Substitutionstechnik nicht mehr unterscheiden kann, ob die Schilddrüsenhormone von einer Schilddrüse oder von einer Tablette stammen - und dementsprechend logischerweise mit normalem Befinden reagiert.
Das ist natürlich etwas vereinfacht ausgedrückt, denn der Körper "unterscheidet" nicht (das suggeriert ein Denkvermögen), sondern er reagiert einfach mechanistisch auf das, was man ihm anbietet. Ursache-Wirkung. Kausalität.
Diese grundlegend mechanistische Betrachtungsweise hat mir im ht-mb Forum viel Empörung eingebracht, da man dort der Meinung ist, jeder Mensch würde anders auf Schilddrüsenhormone reagieren. Meiner Meinung nach sehen die Leute hingegen - mangels konsequenter Vorgehensweise und gemeinsamem Experimentieren - bei der Einstellung keine Muster und Ähnlichkeiten zwischen Patienten mehr, sondern nur noch Chaos und Unordnung.
Wenn jeder für sich allein probiert, dann kann man keine grundlegenden Muster und Gemeinsamkeiten aufdecken - so weit, so gut.
Daher ist mein Ansatz die Entwicklung einer möglichst naturidentischen Substitutionstechnik mittels gemeinschaftlichem Beobachten und Experimentieren.
Ich halte absolut nichts davon, wenn jeder Mensch alleine herumprobiert, was für ihn funktioniert und was nicht. So gelangt man nämlich niemals zu allgemeingültigen Einstellungstipps, die für alle gelten - genau sowas brauchen wir aber!
Am meisten hat mir in meiner bisherigen Einstellung geholfen, dass ich alle "altbekannten Forenweisheiten" über Bord geworfen habe, und mich strikt auf wissenschaftliche Studien und wissenschaftlich plausible Erklärungsmodelle bezogen habe.
Daher wäre meine erste Bitte an dich, wenn du magst, ein öffentliches Tagebuch hier zu führen. Denn nur so können andere von deinen Erfahrungen lernen!
Gleichzeitig appelliere ich an alle Leser von Soap's Tagebuch: Wenn ihr merkt, dass er Erfolge mit seiner Technik hat, zögert nicht und probiert es selbst aus! Je mehr Leute mitmachen, desto aussagekräftiger werden die Ergebnisse, und desto näher kommen wir unserem Ziel einer allgemeingültigen Einstellungsmethode, mit der man alle Hashimoto-Patienten 100% symptomfrei bekommt.
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man eine solche Einstellungsmethode (nicht: Dosierung) entwickeln kann. Nämlich, weil sich diese Einstellungsmethode, die ich im Sinn habe, am Vorbild der gesunden Schilddrüse orientiert.
Es gibt zwar individuelle genetische Unterschiede in der Verstoffwechselung der Schilddrüsenhormone - ja, das ist bekannt. Aber die Drüse selbst funktioniert meineswissens bei jedem Menschen gleich, denn sie ist stammesgeschichtlich gesehen in der Evolution sehr alt.
Und nur die müssen wir von der Funktion her ersetzen, also gibt es einen gemeinsamen Nenner für alle Menschen.
2. Was kann man aus deinen bisherigen Versuchen lernen/erkennen?
Deine bisherige Einstellung zeigt einige typische Verläufe:
- Die klassische T4-Monotherapie mit steigender Dosis hat das Befinden nicht auf ein Niveau wie vor der Krankheit wiederhergestellt.
- Der TSH korreliert nicht zuverlässig mit dem Befinden - bei Werten von 0,3 < TSH < 1 µU/mL hattest du viele Symptome.
- Ein weiteres Steigern der T4-Dosis brachte keine Verbesserung des Befindens, sondern eine Verschlechterung i.S. von Überdosierungssymptomen (Müdigkeit, Kopfschmerzen etc.), ohne dass zwischen Unter- und Überfunktion jemals vom Befinden her eine Euthyreose erreicht worden wäre.
- Nachdem die T4-Dosis bis zum Maximum ausgereizt wurde (225µg T4), wurde T3 dazugegeben, ohne dabei das T4 zu reduzieren. Das Befinden hat sich dadurch nicht gebessert, sondern verschlechtert.
- Das Befinden besserte sich leicht, als NDT (natürlicher Schilddrüsenhormonextrakt) in Kombination mit T4 verwendet wurde; dennoch bleiben Symptome bestehen.
- Es wurde beobachtet, dass ein hoher fT4 mit Müdigkeit korreliert.
3. Wie kann man diese Beobachtungen schlüssig erklären? (Shadow's geballter Wissensstand auf nur 2 Seiten!)
Das sind alles wie gesagt sehr typische Erfahrungen. Die klassischen medizinischen Erklärungsmodelle können die o.g. Beobachtungen nicht schlüssig erklären. Ich erkläre sie mir folgendermaßen; aktuell ist das mein bestes Modell. Es basiert auf einer Reihe von wissenschaftlichen Studien, deren Aussagen ich sinnvoll zu einem Erklärungsmodell kombiniert habe. Daher folgt jetzt mein aktueller Stand, zusammenfasst.
Leider werden 99% der Leser das jetzt eh wieder überspringen, schade, denn so lernt man nix - für die 1% Interessierten gibt's hier die "heißen Tipps" inkl. Namen der dazugehörigen Studienautoren als Belege:
- T4-Monotherapie ist per se nicht zum Wiederherstellen eines guten Befindens geeignet. Erstens, weil Panicker et al. gezeigt haben, dass ca. jeder sechste Hypothyreosepatient einen genetischen Polymorphismus im Gen für die Dejodase II besitzt, der zwar die Blutwerte nicht verändert, aber das Wohlbefinden unter T4-Monotherapie verschlechtert. Zweitens, weil Gullo et al. und Sesmilo et al. gezeigt haben, dass sich das Verhältnis "fT3/fT4" unter T4-Monotherapie zu sehr auf die Seite des fT4 verschiebt. Das gesamte Dejodasensystem hängt jedoch davon ab, dass das fT3/fT4-Verhältnis im Blut normal ist, denn die Dejodasen werden durch die Konzentrationen der Schilddrüsenhormone selbst reguliert. Drittens sprechen Forschungsergebnisse von Hoermann et al. dafür (s. weiter unten). Daher gehe ich insgesamt davon aus, dass T4-Monotherapie generell nicht der Goldstandard zur Behandlung von Hashimoto-Patienten ist.
- Der unphysiologisch erhöhte fT4, der durch T4-Monotherapie entsteht, führt zu neurologischen und muskulären Symptomen. Ein hoher fT4 führt lt. Nanoff/Freissmuth zu einem verstärkten Abbau der Dejodase II. Da diese Dejodase vor allem in Gehirn- und Muskelzellen vorkommt, lässt sich die Korrelation zwischen hohem fT4 und Müdigkeit auf diesem Wege erklären. Gleichzeitig auftretende Muskelschwäche ist ebenfalls typisch für hohe fT4-Werte (hoch bedeutet hier nicht notwendigerweise über der kollektiven Labornorm, sondern individuell zu hoch).
- Kombinationstherapie sollte niemals begonnen werden, ohne die T4-Dosis entsprechend zu reduzieren. Denn wenn man zu einer bestehenden T4-Dosis X eine zusätzliche T3-Dosis Y dazugibt, so addieren sich beide Hormonwirkungen, und die Gesamthormonwirkung wird größer. Ergo führt das zu einer Verschiebung der Gesamthormonwirkung in Richtung Hyperthyreose. Da oft mit Kombitherapie begonnen wird, nachdem die T4-Dosis maximal ausgereizt wurde (TSH an der Supprimierungsgrenze), ist sowas natürlich fatal, da viele Patienten auf diese Weise in eine Hyperthyreose rutschen. Ein Ersetzen von je 3µg T4 durch je 1µg T3 beeinflusst den TSH-Wert nicht, wie Celi et al. festgestellt haben.
- Der TSH basal ist unter T4-Monotherapie nicht aussagekräftig, somit ist er unter dieser Therapieform auch nicht der Goldstandard zur Beurteilung der Hormonversorgung. Der TSH basal wird erst unter T3/T4-Kombitherapie wieder aussagekräftig. Dafür spricht eine brandneue Studie von Hoermann et al. (erschienen 2013), die gezeigt hat, dass sich die Korrelationskoeffizienten von log(TSH) vs. fT3 und log(TSH) vs. fT4 zwischen Gesunden und Patienten, die T4-Monotherapie erhielten, signifikant unterscheiden. Das ist nach aktuellem Verständnis des thyreotropen Regelkreises unmöglich, denn man würde erwarten, dass der Körper das exogen zugeführte T4 bedarfsgerecht in T3 umwandelt und somit Euthyreose wiederherstellt. Bei gleichem TSH dürften Gesunde und T4-Monotherapierte daher keine unterschiedlichen fT3- und fT4-Werte aufweisen - genau das wurde aber gemessen. Gleichzeitig wurde gezeigt, dass die Summenaktivität peripherer Dejodasen (GD) bei Gesunden mit dem TSH korreliert, aber bei T4-Monotherapierten keine Korrelation besteht - das belegt ebenfalls, dass T4-Monotherapie keine vollständige Wiederherstellung einer euthyreoten Körperfunktion bewirkt, wie auch Hoermann et al. in ihrer Studie schreiben. Sowohl TSH-Feedback, als auch freie Schilddrüsenhormonwerte unterschieden sich also zwischen Gesunden und T4-Monotherapierten. Für das veränderte TSH-Feedback schlagen die Autoren der Studie eine Beteiligung der Dejodase II in der Hypophyse als Ursache vor. Das würde meiner Meinung nach Sinn ergeben, da bekannt ist, dass die Dejodase II durch zu viel T4 in ihrem Medium verstärkt abgebaut wird - die Hypophyse benutzt aber u.a. intrazellulär gewonnenes T3, um die Menge an TSH zu berechnen, die ausgeschüttet wird. Daher darf man meiner Meinung nach dem TSH-Wert unter T4-Monotherapie nicht trauen, wie auch zahlreiche Patientenerfahrungen belegen! Erst eine Beseitigung des verschobenen fT3/fT4-Verhältnisses im Blut würde theoretisch die korrekte Messung der Hypophyse wiederherstellen - auch dafür lassen sich zahlreiche Patientenberichte finden, die diese Vermutung unterstützen.
- TSH-Supprimierung sollte unter T3/T4-Kombitherapie konsequent vermieden werden. (Für T4-Monotherapierte ist sie hingegen oft erforderlich, um gutes Befinden zu erreichen, da deren Hypophyse falsch misst.) Es ist meiner Meinung nach wahrscheinlich, dass der TSH basal erst unter Kombitherapie wieder aussagekräftig wird. Ursache ist eine durch die Kombitherapie stattfindende Normalisierung des fT3/fT4-Verhältnisses im Blut (s.o.). Das bedeutet aber auch, dass ein supprimierter TSH bei Kombitherapierten tatsächlich auf eine Hyperthyreose hindeutet! Außerdem verliert man durch Supprimierung die natürliche Anpassungsfähigkeit der SD-Hormonproduktion an veränderliche Umweltbedingungen (Hitze/Kälte, Stress, Sport usw.). Zudem gibt es eine Reihe von neu entdeckten, extrathyreoidalen TSH-Rezeptoren, deren Funktionen größtenteils unbekannt sind - auch aus diesem Grund sollte auf Supprimierung verzichtet werden. Wenn gutes Befinden nur bei supprimiertem TSH erreicht werden kann, ist meiner Erfahrung nach das T3:T4-Verhältnis in der Substitutionsdosis falsch.
- Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 sollten in ungefähr demselben Verhältnis substituiert werden, das die gesunde Schilddrüse ins Blut ausschüttet (ca. 1:12-1:17, T3:T4, molar resorbiert). Ein physiologisches fT3/fT4-Verhältnis ist aus den bereits genannten Gründen anzustreben. Deshalb sollte nicht nur auf T4-Monotherapie verzichtet werden (die eine Extremform eines unphysiologischen T3:T4-Verhältnisses ist, nämlich 0:1), sondern es sollte generell immer eine Substitutionsdosis gewählt werden, die so beschaffen ist, dass im Blut ein physiologisches Verhältnis von T3 und T4 ankommt. Hierzu ist stets etwas Mathematik erforderlich - die Intuition kann täuschen!
- Ein physiologisches fT3/fT4-Verhältnis liegt zwischen 0,22 - 0,50. Diese Daten wurden mir auf Anfrage per E-Mail von Dr. Damiano Gullo, einem bekannten Endokrinologen und Autor mehrerer Schilddrüsenstudien, mitgeteilt. Sie basieren auf einer Datenbasis von 5001 euthyreoten Gesunden und spiegeln das 95,4%-Konfindenzintervall dieser Populaton wider. Daher kann man sie wie einen Labor-Referenzbereich verwenden. fT3/fT4-Werte außerhalb dieses o.g. Referenzbereichs sind bei Gesunden (!) selten, meiner Beobachtung nach kommen aber insb. Werte < 0,22 häufig bei T4-Monotherapierten vor, und werden oft von Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Muskelschwäche begleitet.
- Solange ausschließlich mit L-Thyroxin behandelt wird, führt eine höhere T4-Dosis zu einer schlechteren Versorgung der Körperzellen mit T3. Bei steigender T4-Dosis sinkt der fT3 (wie auch Hoermann et al. gemessen haben), während der rT3 steigt. Dadurch steigt die kompetitive Inhibition zwischen T3 und rT3, und die vom T3 ausgelöste Hormonwirkung sinkt. Das trägt ebenfalls ganz erheblich dazu bei, dass Hypothyreosesymptome (wie z.B. Müdigkeit) bei steigendem fT4 zunehmen, obwohl nach dem Standardmodell des thyreotropen Regelkreises (bedarfsgerechte Umwandlung T4 --> T3) das Gegenteil erwartet wird.
- Schwankungen im Befinden lassen sich durch Splitting beseitigen. Für T4 genügt zweimal tägliche Einnahme, während für T3 womöglich häufigere Einnahmen nötig sind. Hierbei kann sich durch Splitting die T4-Resorption sogar erhöhen! Ungesplittete Dosierungen führen zu höheren Schwankungen im fT3 und fT4 als gesplittete Dosierungen. Somit führen ungesplittete Dosierungen auch zu höheren Schwankungen im Befinden als gesplittete Dosierungen, da freie SD-Hormone im Blut und Befinden zusammenhängen. Die Plasmahalbwertszeit des T3 ist mit ca. 17 Stunden deutlich geringer als die des T4 mit ca. 8 Tagen; daher ist zu erwarten, dass man T3 feiner splitten muss als T4, um Schwankungen in Befinden und Blutwerten zu minimieren. Zumindest ein zweifaches Splitting des T4 führt (ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung) nicht zu einer Verminderung der Aufnahme im Dünndarm. Wie Bolk et al. festgestellt haben, ist die T4-Resorption bei Einnahme direkt vor dem Einschlafen sogar höher als bei nüchterner Einnahme nach dem Aufwachen. Die Resorption ist bei 2-stündigem Abstand zur letzten Mahlzeit des Abends immer noch identisch mit der morgendlichen Nüchternresorption, vgl. Rajput et al. Das sollte von Patienten berücksichtigt werden, die ihre T4-Dosis auf Splitting umstellen. Die T3-Resorption wird hingegen sowieso nicht von Nahrung beeinflusst, wie bereits 1970 von Hays et al. festgestellt wurde. Gute Näherungswerte für die Resorptionsraten sind 70-80% für T4 morgens nüchtern, 50-60% für T4 zum Mittagessen, 75-85% für T4 direkt vorm Einschlafen (Achtung, Näherungswerte!), und nahrungsunabhängig 95% für T3.
- Der fT3-Wert im Blut sagt nichts darüber aus, ob die Körperzellen euthyreot sind! Erst eine Messung von fT3 und rT3 lässt Rückschlüsse über die Versorgungslage des Körpers mit T3 zu. Hierbei sollte das fT3/rT3-Verhältnis mind. 20 * 10-3 betragen, bei fT3 im Normbereich. Wie Escobar-Morreale et al. festgestellt haben, wurden im Tierversuch Ratten erst dann auf Organebene euthyreot, wenn sie Kombitherapie mit demselben T3:T4-Verhältnis erhielten, das die gesunde Rattenschilddrüse ausschüttet. Bei T4-Monotherapie waren hingegen die Blutwerte euthyreot, viele Organe hingegen noch hypothyreot. (ein starkes Indiz für meine Behauptungen weiter oben). Die Dejodase I kann, im Gegensatz zur Dejodase II, das T4 nur zu 50% in T3 umwandeln, während gleichzeitig 50% rT3 entstehen; sie kann also nur äquimolare Mengen produzieren (vgl. Maia et al.). Der fT3-Wert im Blut wird aber von beiden Dejodasen in nennenswerten Maße mitbestimmt, und zusätzlich wird in Deutschland routinemäßig der rT3-Wert nicht mitgemessen. Daher spiegelt der fT3-Wert im Blut lediglich die extrazelluläre Summe der T3-Produktion des Körpers wieder, während er keine Information darüber enthält, ob intrazellulär in den verschiedenen Organen des Körpers genügend T3 produziert wird - und ob dieses intrazelluläre T3 überhaupt ausreichend Zeit im T3-Rezeptor verbringen kann, um eine ausreichende hormonelle Wirkung auszulösen (bedenke: rT3 ist kompetitiver Inhibitor zu T3). Daher ist die Bestimmung des fT3 alleine als nicht aussagekräftig anzusehen, und erst eine Messung von fT3 und rT3 aus derselben Blutprobe (möglich z.B. bei Ganzimmun Diagnostics AG, Mainz) lässt aussagekräftige Rückschlüsse auf die intrazelluläre Versorgung der Körperzellen mit T3 zu. Hierbei sollte insbesondere das Verhältnis "fT3/rT3" berücksichtigt werden, das Patientenerfahrungen zufolge bei mind. 20 * 10-3 liegen sollte; empirische Daten über dieses Verhältnis liegen leider kaum vor, auch wenn eine kleinere gesunde Probandengruppe (ca. n=30) im Rahmen einer Diätstudie ebenfalls das o.g. fT3/rT3-Verhältnis aufwies.
- Das Befinden benötigt mind. 8 Wochen, besser 12 Wochen, um sich nach einer Änderung der Tablettendosis zu stabilisieren. Das ist ein Erfahrungswert, den ich aus Beobachtung von Hashimoto-Patienten gewonnen habe. Die oft empfohlenen 4-6 Wochen reichen zwar aus, damit die Blutwerte sich stabilisieren - das Befinden benötigt charakteristischerweise aber oft länger, um seinerseits auf die Veränderung der Blutwerte zu reagieren. Wartet man nicht lang genug ab, so erhält man eine gute Korrelation zwischen Tablettendosis und Blutwerten, aber gleichzeitig eine schlechte Korrelation zwischen Blutwerten und Befinden des Patienten. Für eine aussagekräftige Blutentnahme muss aber eine gute Korrelation aller drei Faktoren, also Tablettendosis --> Blutwerte --> Patientenbefinden, gegeben sein. Daher ist es sehr sinnvoll, mind. 8 Wochen zu warten, ehe man nach einer Dosisänderung erneut Blutwerte machen lässt!
Ich hoffe, diese Zusammenfassung hilft dir und anderen, euch in meinen Texten besser zurechtzufinden! Es ist wie gesagt die Quintessenz meiner bisherigen Recherchen zur Schilddrüse und zur Hashimoto-Thyreoiditis.
4. Was sind deine Eckdaten? Was für harte Fakten existieren über deine Schilddrüse?
Ich habe mir mal erlaubt, deine Daten grafisch aufzubereiten. Ich habe jeweils immer die letzten Blutwerte genommen, die unter einer Dosis entstanden sind, um Effekte durch eine fehlende Anpassung des Körpers an die Dosis auszuschließen (der Körper braucht ja mind. 6-8 Wochen, bevor der thyreotrope Regelkreis stabil wird). Das hier sind die Rohdaten:
Du bist männlich, 31 Jahre alt, 1,80m groß und 76kg schwer, mit einem BMI von 23,5 (d.h. normalgewichtig). Hashimoto wurde bei dir über positive TPO- AK (805,8 U/mL, normal: <60 U/mL) bei gleichzeitig hohem TSH (6,29 mU/L) festgestellt. Du hast noch eine Schilddrüse von 6mL Restgewebe.
Datum | T4-Dosis [µg/Tag] | fT3 [pg/mL] (2,0-4,4) |
fT4 [ng/dL] (0,9-2,0) |
fT3 [pmol/L] | fT4 [pmol/L] | Verhältnis fT3/fT4 | TSH basal |
25.8.11 | 100 | 3,17 | 1,49 | 4,88 | 19,22 | 0,25 | 1,49 |
9.9.11 | 125 | 3,71 | 1,91 | 5,71 | 24,64 | 0,23 | 0,93 |
8.11.11 | 150 | 3,7 | 1,78 | 5,70 | 22,96 | 0,25 | 0,06 |
17.8.12 | 137,5 | 2,94 | 1,39 | 4,53 | 17,93 | 0,25 | 1,56 |
5.10.12 | 150 | 3,31 | 1,69 | 5,10 | 21,80 | 0,23 | 0,63 |
26.11.12 | 200 | 3,92 | 2,17 | 6,04 | 27,99 | 0,22 | <0,05 |
Wie man sieht, besteht auch bei dir die typische Korrelation zwischen log(TSH) und fT4:
[Blockierte Grafik: http://img542.imageshack.us/img542/9295/95rr.png]
Das fT3/fT4-Verhältnis liegt unter T4-Monotherapie konstant zwischen 0,22-0,25, was okay ist, aber bereits niedrignormal. Das schlechteste Verhältnis von 0,22 wurde bei der höchsten T4-Dosis von 200µg erreicht.
[Blockierte Grafik: http://img819.imageshack.us/img819/4781/r3ko.png]
Das lässt sich dadurch erklären, dass erwartungsgemäß der fT4 immer höher gestiegen ist, je weiter die T4-Dosis erhöht wurde:
[Blockierte Grafik: http://img835.imageshack.us/img835/8796/vyu8.png]
5. Deine Frage und meine Antwort
Du hast mich gefragt, ob es Sinn machen würde, eine Dosis von 125µg T4 + 10µg T3 auszuprobieren, gesplittet in eine Morgendosis und eine Abenddosis.
Du stützt dich dabei auf deine Blutwerte vom 5.10.12, die einen TSH von 0,63 mIU/L bei einer Gesamtdosis von 150µg T4 ergaben.
Meiner Meinung nach würde eine gesplittete Kombitherapie auf jeden Fall Sinn machen - wie ich zu dieser Meinung gelange, kann jeder in meinem Text oben nachlesen -, wobei man dem TSH unter T4-Monotherapie wie gesagt nur bedingt trauen sollte. Als grobe Richtschnur kann man den TSH aber trotzdem benutzen, da durch die Studie von Celi et al. ein experimentell (!) ermittelter Umrechnungsfaktor für die Wirkung des T3 auf den TSH bekannt ist - und weil er experimentell ermittelt wurde, müsste er den von Hoermann et al. postulierten Hypophysenmessfehler mit enthalten.
Man kann also definitiv eine bereits bekannte, sauber gemessene (!) TSH / Dosis-Kombination verwenden, um basierend darauf eine neue Einstellung auszutesten. Habe ich mit spencer genauso gemacht und funktioniert bislang wunderbar - wir haben bereits bei 1. Versuch eine Dosis gewählt, die seinen TSH genau aus der Supprimierung herausgeholt hat (d.h. die Dosis passte bereits gut, und führte zu guten Werten und brauchbarem Befinden), und er war weeeit 'drüberdosiert gewesen, plus seine Werte waren auch noch sehr alt gewesen.
(wie es mit spencer weiter geht, findest du in seinem Tagebuch)
"Ziel des Spiels" ist also, nun eine Dosis zu wählen, die eine Wirkung hat, die insgesamt ca. 150µg T4-Monotherapie entspricht. Ja, das wären dann die von dir vorgeschlagenen ca. 125µg T4 + 10µg T3. Völlig richtig gerechnet!
Weiterhin stellt sich die Frage nach natürlicher T3/T4-Kombitherapie vs. synthetischer T3/T4-Kombitherapie. Du sagst, dass du beide Sorten von Medikamenten zur Verfügung hast (LT, Thybon, Prothyrid, Acella), und dir somit die freie Wahl bleibt.
Ein Experiment mit Acella fände ich persönlich sehr spannend, weil wir auf diese Weise testen könnten, ob ein mehrfaches Splitting von natürlichem Schilddrüsenextrakt zu vollständiger Symptomfreiheit führt.
Natürlicher Schilddrüsenextrakt stellt nicht nur eine T3/T4-Kombinationstherapie dar, sondern enthält darüber hinaus auch noch andere Substanzen wie z.B. Monoiodthyrosin und Diiodthyrosin, die im Verdacht stehen, am Wohlbefinden von Patienten beteiligt zu sein.
Das macht einen solchen Versuch spannend - denn eine solche Substitutionstechnik würde sehr nah an die Funktion einer gesunden Schilddrüse herankommen! Wir simulieren damit eine mehrfach tägliche Ausschüttung aller benötigten Substanzen, ca. alle 5 Stunden. Es würde mich nicht wundern, wenn man damit 100% Symptomfreiheit erlangen könnte!
Natürlich geht das zu Lasten der Bequemlichkeit. Du könntest es aber einfach mal probieren. Ich habe selbst mit vierfachem Splitting sehr gute Erfahrungen gemacht, es fühlt sich sehr natürlich an.
Man müsste lediglich das T3:T4-Verhältnis in der Dosis anpassen, da es sich um Schweineschilddrüsenextrakt handelt, und Schweine ein anderes Verhältnis in ihrer SD haben (ca. 1:4) als Menschen (ca. 1:15). Das ist aber kein Problem, da man einfach etwas T4 (L-Thyroxin) dazu geben kann, sofern man dabei die Gesamtmenge berücksichtigt.
Meine Idee wäre daher, wenn du magst, ein vierfaches Splitting einer LT-Acella-Kombination auszuprobieren, und den Verlauf deines Befindens und deiner Blutwerte hier öffentlich im Forum zu schreiben und darüber mit anderen Hashimoto-Patienten zu diskutieren.
Ich würde mich sehr freuen, wenn du das genauso siehst. Selbstverständlich hat das den Charakter eines öffentlichen Experiments - was aber von Vorteil für alle ist (sowohl für dich, als auch für potentielle Nachahmer). Denn wenn du mit dieser Variante gutes Befinden erreichst, kann man genau nachvollziehen, was genau du ausprobiert hast und wie genau du welche Schritte in welcher Reihenfolge gemacht hast, inkl. Dokumentation deines Befindens über mehrere Wochen. Andere könnten die Methode so nachprobieren, wenn sie sich als guter Einstellungsweg erweist.
Und wenn nicht...naja, es sind immerhin die 125µg T4 + 10µg T3, die du sowieso ausprobieren wolltest, so what?
6. Der konkrete Vorschlag
Hier noch einmal deine Blutwerte, auf die du dich beziehst:
Zitat5.10.12, 150µg T4, morgens nüchtern eingenommen
TSH: 0,63 mIU/L
fT3: 3,31 (2,0-4,4) pg/mL
fT4: 1,69 (0,9-2,0) ng/dL
Basierend darauf, hier mein Vorschlag ¹:
7 Uhr | 12 Uhr | 17 Uhr | 22 Uhr | |
T3 [µg] | 2,25 | 2,25 | 2,25 | 2,25 |
T4 [µg] | 9,5 + 37,5 | 9,5 | 9,5 | 9,5 + 50 |
Der gleiche Vorschlag als Tabletten geschrieben:
7 Uhr | 12 Uhr | 17 Uhr | 22 Uhr | |
Acella ¹ | 1/4 Grain | 1/4 Grain | 1/4 Grain | 1/4 Grain |
L-Thyroxin | 1 1/2 Tbl. LT 25µg | - | - | 1 Tbl. LT 50µg |
Das entspricht einer Gesamtdosis von 9µg T3 + 125,5µg T4.
Die Wirkung auf den TSH ist vergleichbar mit ca. 152,5µg T4.
Die Dosis hat ein T3:T4-Verhältnis von ca. 1:12 in der Tablette, und ca. 1:9 im Blut.²
¹ Dosierungen in Grain, s. hier: http://www.npthyroid.com/thyroid/
² Ein Verhältnis von 1:9 entspricht zwar nicht dem von der menschlichen Schilddrüse ausgeschütteten Verhältnis von ca. 1:12-1:17, aber das lässt sich experimentell sowieso nur sehr aufwändig mittels radioaktiv markierter Isotope messen, und dementsprechend sind diese ca. 1:12-1:17 eher als Schätzwert anzusehen. Wir liegen daher mit 1:9 relativ nahe an der Untergrenze dieser Schätzung von ca. 1:12, weshalb ich da keine Probleme erwarte.
7. Abschließende Worte und Tipps
Joa...das wär's von meiner Seite. Jetzt müsste jeder, der diesen Beitrag gelesen hat, auf dem aktuellen Stand meiner Ideen sein. Die Frage ist jetzt, ob du das ausprobieren möchtest?
Du benötigst dazu, ausreichend für 8 Wochen:
- Acella in 1/2 Grain-Tabletten (lassen sich auf 1/4 Grain halbieren)
- L-Thyroxin 50µg
- L-Thyroxin 75µg
Außerdem solltest du dringend die gängigen Mikronährstoffe überprüfen lassen, bevor du anfängst. Ansonsten lässt sich hinterher nicht sagen, ob Mikronährstoffmängel die Symptome (mit)ausgelöst haben. Insbesondere solltest du...
- Ferritin
- Zink (Vollblut, nicht Serum!)
- Kupfer (Vollblut, nicht Serum!)
- Selen
- Vit. D
- Vit. B12
- Folsäure
- Biotin
...überprüft haben, da diese Substanzen alle wichtig für einen funktionierenden Stoffwechsel sind. Insbesondere Folsäure und Biotin werden gerne mal vergessen oder unterschätzt. Folsäure hat beispielsweise eine zentrale Rolle im Citratzyklus.
Eine vollständige Liste aller deiner Symptome wäre sehr empfehlenswert, bevor du beginnst. Dann kann man besser nachvollziehen, welche Verbesserungen du während deiner neuen Dosis erlebst.
Ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber als ich mit T3 begonnen habe sind die verrücktesten Dinge mit meinem Körper passiert - z.B. hatte ich (mit 25 Jahren) etwa zur Hälfte weiße Barthaare, die sich während der folgenden Monate von weiß über rot nach schwarz neu pigmentiert haben. Das nur als Beispiel, was da alles passieren kann, wenn der Körper nach vielen Jahren plötzlich wieder korrekt mit Schilddrüsenhormonen versorgt wird.
Abschließend wünsche ich dir, falls du dich darauf einlässt, viel Spaß und gutes Befinden - und deinen Lesern viel Vergnügen mit ab jetzt kürzeren Beiträgen .
[hr][/hr][center]Disclaimer: Selbstverständlich ist dies keine ärztliche Beratung.[/center]